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Die englische Kolonisation


Kolonisation, Besiedlung, Handelsgesellschaften, Arbeitskräfte, Sklaverei, Kontraktarbeiter, Subsistenzwirtschaft, Puritaner

Im Gegensatz zu den spanischen und französischen Kolonialgründungen, die wesentlich von der jeweiligen Krone veranlasst, getragen und finanziert wurden, erfolgte die Besiedlung der nordamerikanischen Ostküste durch die Engländer auf Initiative privater Handelsgesellschaften, die von der Krone zwar mit Privilegien und königlichem Freibrief (charter) ausgestattet wurden, jedoch eigenständig die Besiedlung organisierten. Die wohlhabenden Kaufleuten der nach holländischem Vorbild gebildeten Handelsgesellschaften rüsteten Schiffe aus und schickten sie auf eigenes Risiko über den Atlantik, um Kolonialwaren einzuhandeln. So errichtete die „London Company of Virginia“, die 1607 das erste Schiff mit mehr als einhundert Siedlern über den Atlantik schickte, im Gebiet der Chesapeake Bay Tabakplantagen als exportorientierte Agrarwirtschaft. Da der Aufbau und der Betrieb der kapital- und arbeitsintensiven Plantagen viele Arbeitskräfte verlangten, holten die Eigner, durchweg kapitalstarke Adlige aus England, zunächst Kontraktarbeiter aus dem übervölkerten Mutterland, die später durch schwarze Sklavenarbeiter aus Westafrika ersetzt wurden. So entstanden in den südlichen Kolonien (z. B. Virginia) die Plantagenaristokratie und als Siedlungsform große Einzelsiedlungen mit Besitzeinheit, dem stattlichen Herrenhaus im Zentrum und den darum sich gruppierenden „Hütten“ der Kontraktarbeiter bzw. Sklaven.

Ein völlig anderes Wirtschafts- und Besiedlungssystem entwickelte sich in den nördlichen Kolonien, z. B. in Massachusetts und Pennsylvania. Hier erfolgte die Besiedlung vornehmlich durch Mitglieder einer strengen protestantischen Glaubensgemeinschaft, die Puritaner (Landung der Pilgerväter mit der Mayflower 1620 in der Bucht von Boston). Sie waren von dem Wunsch beseelt, in der „Neuen Welt“ die „wahre Gemeinde Christi“ zu begründen und damit die in England nach ihrer Meinung auf halbem Weg stehen gebliebene Reformation zu vollenden. Ihr Ziel war es, ein „neues Jerusalem“, eine „City upon the hill“ zu errichten.

Die Kolonisten begannen mit einer Subsistenzwirtschaft (Ackerbau und Fischfang) und mit Handwerk zur weitgehenden Selbstversorgung. Zusätzlich bzw. nachfolgend betrieben sie den Schiffbau und organisierten Handel mit dem Mutterland. So entwickelten sich die Hafenstädte an der Atlantikküste zu Kernzellen des Handels und der Industrie. Als Calvinisten lehnten die Puritaner die hierarchische Ordnung der anglikanischen Episcopalkirche ab. Bereits vor Verlassen der Mayflower hatten die Pilgerväter einen Vertrag (compact) geschlossen, in dem sie festlegten, dass sie sich zu einer politischen Körperschaft zusammen schließen wollten, um ihr Zusammenleben durch „gerechte und gleiche Gesetze“ zu regeln. Auch insofern wurden die von ihnen gegründete Siedlungen nicht nur religiöse, sondern auch politische Einheiten mit gewählten Vertretern an der Spitze. Als Siedlungsformen entwickelte sich nach englischem Vorbild und dem Geist der puritanischen Separatisten entsprechend das Dorf mit den Institutionen Kirche und Gemeinschaftshaus im Zentrum sowie dem Common, d. h. der allen Mitgliedern zur Nutzung zustehenden Viehweide. Daneben entstanden isoliert gelegene Einzelfarmen in der Größe von 40 bis 60 ha auch ein Ausdruck vom Streben der Siedler nach Unabhängigkeit, Individualität und Privateigentum.

So wiesen die dreizehn Kolonien an der Atlantikküste sowohl wirtschaftlich als auch was Siedlungsformen anbetrifft seit ihrer Gründung ganz unterschiedliche regionale Besonderheiten auf, die sich nicht allein aus den jeweiligen unterschiedlichen natürlichen Bedingungen wie Klima und Bodenbeschaffenheit erklären lassen.


Quelle: Geographie Infothek
Autor: Norbert von der Ruhren
Verlag: Klett
Ort: Leipzig
Quellendatum: 2004
Seite: www.klett.de
Bearbeitungsdatum: 22.01.2006